Ahmad Jamal

Es gibt immer ein paar Musiker, die uns die Türen in eine bestimmte Richtung öffnen. Für die einen war die erste Led Zeppelin-Platte ihres Lebens die Erweckung zum Hard-Rock-Fan, für die anderen Keith Jarrets „Köln Concert“ die erst entscheidende Begegnung mit dem Jazz-Piano. In meinem Fall war es, und zwar sehr spät, Ahmad Jamal, der den Weg ins beschaulichere Hören Klavier-lastiger Platten aufzeigte.

Der 1930 in Pittsburgh geborene Jamal gehörte zu den früh am Klavier aktiven Musikern. Er trat bereits als Jugendlicher auf und ging als 19-Jähriger auf Tourneen. Musiker zu sein, war zu diesen Zeiten Schwerstarbeit. In den Clubs wurden zumeist mehrere Sets mit jeweils wechselndem Publikum gespielt und das an 6 Tagen in der Woche. Jamal trat zumeist in der klassischen Trio-Formation Klavier, Bass, Schlagzeug, aber auch als einer der ersten in Schlagzeug-losen Trios mit Gitarre auf.

Seinen ersten großen Erfolg feierte er jedoch in der klassischen Besetzung. Sein Live-Album „At the Pershing: But Not For Me“ mit dem Song „Poinciana“ wurde 1958 ein Millionenhit und ermöglichte es Jamal, mit dem „Alhambra“ seinen eigenen Club in Chicago mit permanentem Heimspielrecht für seine Band zu gründen. Nachdem er 1959 durch Afrika und Europa tourte, wurde es in den frühen 1960er Jahren ruhiger um ihn. Er betätigte sich als Clubmanager und später als Musikproduzent. Erst Ende der 90er Jahre tourte er wieder mit seinem Bassisten James Cammack und dem Schlagzeuger Idris Muhammad vornehmlich durch Europa und spielte diverse Live-Aufnahmen ein. Jazzpuristen und Kritiker wird die Ergänzung um Bläser, Streicher, Funk-Elemente und Hintergrundsänger bisweilen verschreckt haben, das breitere Publikum dankte ihm die im Gegensatz zu den härteren Gangarten des Jazz entspannt zu konsumierende Musik mit Platzierungen in den US-Pop-Charts bis ihn für Jazz ungeahnten Höhen. Sein Ausgangsmaterial blieb jedoch neben Eigenkompositionen immer das „Great American Songbook“.

Jamal hat nach eigenen Angaben „immer orchestral gedacht“, war also weniger auf Darstellung seiner eigenen, unbestreitbar großen technischen Fähigkeiten bedacht, als auf das integrative Zusammenspiel seiner Combos. Insofern ähnelte sein Stil einem Sportwagen, der weniger die Reifen quietschen lässt, als vielmehr souverän cruisend die Gefilde des Easy Listening umschifft, manchmal aber auch streift. Es ist schon weitaus schlechteres in Bars und Fahrstühlen gespielt worden. Spannend macht seine Musk die Fähigkeit der kleinen Variationen in Tempo und Anschlag, die sich unter der Oberfläche des eingängigen Hörens verbergen. Nicht vielen ist dieser Balance-Akt zwischen Breitentauglichkeit und dezenter Virtuosität so gelungen wie ihm. Und angesichts der Schwerstarbeit, die er als tourender Jugendlicher geleistet hat, seien ihm die gekonnten Ausflüge in die leichteren Gefilde des Jazz ohne Zögern verziehen. Mich jedenfalls hat davon überzeugt, dass entspannt zu hörende Musik nicht mit Oberflächlichkeit gleichzusetzen ist.
Am 16. April 2023 im Alter von 92 Jahren ist er in seinem Zuhause an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.

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